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Homophobie an Schulen und das Schweigen der „woken“ Gesellschaft

21. Mai 2025 // geschrieben von Manfred
Ein Lehrer unter Beschuss: Der Fall Oziel Inácio-Stech

Oziel Inácio-Stech, ein schwuler Lehrer an der Carl-Bolle-Grundschule in Berlin-Moabit, sieht sich seit seinem Outing vor fünf Jahren massiven homophoben Anfeindungen ausgesetzt. Schüler*innen bezeichnen ihn als „Familienschande“, „unrein“, „kein Mann“ oder prophezeien ihm gar die „Hölle“. Solche verbalen Angriffe sind nur die Spitze des Eisbergs: Es gab auch physische Übergriffe, wie das Treten gegen Türen seines Unterrichtsraums, begleitet von Beschimpfungen wie „Schwul ist ekelhaft“. Diese Vorfälle, dokumentiert in Gewaltprotokollen der Schule, zeigen ein erschütterndes Bild von Intoleranz an einer Bildungseinrichtung, die eigentlich ein sicherer Raum für alle sein sollte.

Inácio-Stech, der seit über acht Jahren an der Schule mit einem hohen Anteil an Schülerinnen mit Migrationshintergrund (95 %) unterrichtet, wollte zunächst seine sexuelle Orientierung nicht thematisieren. Auf Drängen seiner Kolleginnen hin outete er sich jedoch, in der Hoffnung, durch Offenheit Akzeptanz zu fördern. Doch statt Akzeptanz erntete er Hass, der nicht nur von Schüler*innen, sondern teilweise auch von deren Eltern getragen wird. Besonders schockierend ist, dass die Schulleitung und die Schulbehörden offenbar nicht ausreichend eingreifen, um ihn zu schützen. Stattdessen scheint eine Kultur des Wegschauens und der Beschwichtigung zu dominieren, die den Lehrer allein im Regen stehen lässt.

Der fehlende Schutz durch Schulbehörden

Die Carl-Bolle-Grundschule und die zuständigen Behörden haben es versäumt, konsequent gegen die homophoben Übergriffe vorzugehen. Dokumentierte Vorfälle, wie der respektlose und bedrohliche Auftritt eines Schülers vor der gesamten Klasse, wurden zwar protokolliert, führten aber offenbar nicht zu nachhaltigen Konsequenzen. Stattdessen wird von einer „Mauer des Schweigens“ berichtet, die nicht nur die Schulleitung, sondern auch Teile des Kollegiums und der Elternschaft errichtet haben. Dieses Versagen wirft ein Schlaglicht auf eine tiefere Problematik: die Angst, durch konsequentes Handeln Konflikte mit der Schüler- und Elternschaft, insbesondere mit jenen aus konservativen oder religiösen Milieus, zu provozieren.

Die Lehrergewerkschaft GEW fordert in ihrem Leitfaden „Raus aus der Grauzone“, dass Lehrkräfte ihre sexuelle Orientierung offenlegen sollten, um Akzeptanz zu fördern. Doch was passiert, wenn diese Offenheit, wie im Fall Inácio-Stech, zu Anfeindungen führt? Die Schulbehörden scheinen weder über die Ressourcen noch den Willen zu verfügen, Lehrer*innen wie ihn effektiv zu schützen. Stattdessen wird die Verantwortung auf die Betroffenen abgewälzt, die sich in einem feindlichen Umfeld behaupten müssen. Dieses Versagen ist nicht nur ein institutionelles, sondern auch ein gesellschaftliches Problem, das tiefere Fragen nach Toleranz und Konfliktfähigkeit aufwirft.

Die Doppelmoral der „woken“ Mehrheitsgesellschaft

Die „woke“ Mehrheitsgesellschaft, die sich gerne als Vorreiterin von Toleranz und Diversität inszeniert, zeigt in diesem Fall eine bemerkenswerte Zurückhaltung. In anderen Kontexten wird jede Form von Diskriminierung lautstark angeprangert, sei es Rassismus, Sexismus oder Antisemitismus. Doch wenn es um homophobe Anfeindungen geht, die aus bestimmten kulturellen oder religiösen Überzeugungen resultieren – in diesem Fall insbesondere aus Teilen der muslimischen Community – scheint die Empörung gedämpft. Warum? Offenbar aus Angst, als islamophob wahrgenommen zu werden oder bestehende Spannungen in einer multikulturellen Gesellschaft zu verschärfen.

Diese Doppelmoral ist ein gefährlicher Präzedenzfall. Während die „woke“ Gesellschaft in der Theorie für die Rechte aller Minderheiten eintritt, scheint sie in der Praxis vor bestimmten kulturellen Sensibilitäten zurückzuschrecken. Die Carl-Bolle-Grundschule, mit ihrem hohen Anteil an Schüler*innen mit Migrationshintergrund, wird zum Brennpunkt dieser Konflikte. Anstatt klare Grenzen zu ziehen und homophobe Äußerungen konsequent zu ahnden, scheint die Schulleitung darauf bedacht, niemanden zu „verprellen“. Dieses Einknicken vor konservativen oder religiösen Überzeugungen, die mit den Werten einer offenen Gesellschaft unvereinbar sind, ist ein Zeichen von Schwäche und ein Verrat an den Prinzipien, die die „woke“ Gesellschaft vorgibt zu vertreten.

Wohin steuert Deutschland?

Wenn sich solche Tendenzen verstetigen, zeichnet sich ein düsteres Bild für die Zukunft Deutschlands. Eine Gesellschaft, die ihre eigenen Werte wie Toleranz, Gleichberechtigung und individuelle Freiheit nicht konsequent verteidigt, riskiert, in eine fragmentierte, von Parallelgesellschaften geprägte Struktur abzurutschen. Der Fall Inácio-Stech ist kein Einzelfall.

Ähnliche Vorfälle, wie die Anfeindungen gegen Lehrer*innen in Burg im Spreewald aufgrund von Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie, zeigen, dass Diskriminierung an Schulen ein wachsendes Problem ist.

Die mangelnde Bereitschaft, klare Kante gegen Intoleranz zu zeigen – sei es aus Angst vor kulturellen Konflikten oder aus falsch verstandener Rücksichtnahme – führt zu einer Erosion demokratischer Werte. Schulen, die eigentlich Orte der Bildung und des respektvollen Miteinanders sein sollten, werden zu Schauplätzen von Hass und Ausgrenzung. Wenn Lehrer*innen wie Inácio-Stech aufgrund ihrer Identität gemobbt und bedroht werden, ohne dass die Institutionen sie schützen, sendet das ein fatales Signal: Diskriminierung wird toleriert, solange sie aus bestimmten Milieus kommt. Dies schafft einen Nährboden für weitere Konflikte und stärkt extremistische Narrative, seien sie religiös oder rechtspopulistisch motiviert.

Langfristig droht Deutschland eine Gesellschaft, in der Minderheiten – sei es aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, Religion oder Herkunft – nicht mehr sicher ihre Identität leben können. Die „woke“ Mehrheitsgesellschaft, die sich in ihrer Rhetorik so fortschrittlich gibt, riskiert durch ihre Inkonsequenz, genau jene Werte zu unterminieren, die sie vorgibt zu verteidigen.Wenn Toleranz nur dann praktiziert wird, wenn sie konfliktfrei ist, verliert sie ihren Sinn. Eine offene Gesellschaft muss auch die Kraft haben, Intoleranz entschieden entgegenzutreten - unabhängig davon, woher sie kommt.

Ein Weckruf für Gesellschaft und Politik

Der Fall Oziel Inácio-Stech ist ein Weckruf. Schulen müssen zu sicheren Räumen für alle werden, und das erfordert klare Regeln, konsequente Strafen für diskriminierendes Verhalten und eine Schulleitung, die nicht vor Konflikten zurückschreckt. Die Politik muss Schulbehörden mit den nötigen Ressourcen ausstatten, um präventive Maßnahmen wie Aufklärung und Schulsozialarbeit zu fördern. Und die Gesellschaft – insbesondere die „woke“ Mehrheit – muss sich fragen, warum sie in manchen Fällen schweigt, wenn es unbequem wird.

Wenn Deutschland nicht lernt, seine Werte konsequent zu verteidigen, droht eine Zukunft, in der Angst und Intoleranz die Oberhand gewinnen. Es liegt an uns allen, diesen Weg zu verhindern – durch Mut, klare Haltung und die Bereitschaft, auch unangenehme Konflikte auszutragen. Nur so kann eine Gesellschaft entstehen, die ihre Vielfalt nicht nur predigt, sondern auch lebt.

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