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Stadt Marburg löscht umstrittene Pressemitteilung: Neutralitätsgebot nach Bürgerhinweis wiederhergestellt

24. Juli 2025 // geschrieben von Manfred

Ein Lehrstück über staatliche Grenzüberschreitung und die Kraft bürgerlicher Wachsamkeit

Die Stadt Marburg hat eine politisch brisante Pressemitteilung entfernt, nachdem eine anonyme Hinweisgeberin auf eine mögliche Verletzung des verfassungsrechtlich verankerten Neutralitätsgebots hingewiesen hatte. In dem Schreiben hatte die Stadt – bzw. das von Oberbürgermeister Thomas Spies (SPD) initiierte "Netzwerk für Demokratie und gegen Rechtsextremismus" – zur Teilnahme an einer Gegendemonstration gegen eine Veranstaltung der AfD aufgerufen und die Partei als "gesichert rechtsextremistisch" bezeichnet. Damit hat die Stadt möglicherweise nicht nur gegen das Neutralitätsgebot, sondern auch gegen eine sogenannte "Stillhaltezusage" des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) verstoßen, die eine derartige Zuschreibung bis zur juristischen Klärung untersagt.

Verwaltungsversagen unter dem Deckmantel der "Demokratieförderung"

Dass ausgerechnet eine städtisch betriebene Plattform wie "marburgmachtdemokratie.de" für parteipolitisch gefärbte Aufrufe genutzt wird, wirft ein Schlaglicht auf die Instrumentalisierung von Öffentlichkeitsarbeit für politische Zwecke. Zwar wird das Netzwerk formal als unabhängig dargestellt, doch gründete es sich auf Initiative des Oberbürgermeisters, wird über städtische Infrastruktur betrieben und ist personell mit städtischen Amtsträgern besetzt. Damit ist das Handeln des Netzwerks eindeutig der öffentlichen Verwaltung zuzurechnen.

Neutralität ist keine Option, sondern Pflicht

Das Bundesverfassungsgericht stellte in seinem Grundsatzurteil (Az. 2 BvE 1/16) klar: Das Neutralitätsgebot gilt für staatliche Institutionen auch außerhalb von Wahlkampfzeiten. Eine politische Partei durch öffentliche Verlautbarungen herabzuwürdigen, ihre Veranstaltungen zu delegitimieren oder die Bürger mit Steuergeldern zur Gegendemonstration aufzurufen, verstößt klar gegen dieses Gebot. Genau dies geschah jedoch in Marburg am 14. Mai 2025 – und das, obwohl die Stadt nach eigenen Angaben um die "Stillhaltezusage" des BfV wusste.

Bürgerin deckt auf – Verwaltung rückt zurück

Die anonyme Hinweisgeberin "Anna Anonyma" wandte sich mit einem detaillierten Fragenkatalog an die Stadt, Parteien, Medien und sogar an die AfD. Obwohl ihr aufgrund ihrer Anonymität zunächst die Kommunikation verweigert wurde, führte ihre Initiative zu einer öffentlichen Diskussion – und letztlich zur Löschung der fraglichen Pressemitteilung.

Ein bemerkenswerter Erfolg zivilgesellschaftlichen Engagements: Ohne anwaltliche Vertretung, ohne institutionelle Rückenstärkung, allein durch rechtlich fundierte Argumente und transparente Kommunikation konnte ein staatliches Fehlverhalten gestoppt werden.

Widerstand gegen Transparenz: Wenn Kritik zur Bedrohung erklärt wird

Statt sich sachlich mit den Fragen auseinanderzusetzen, griff die CDU Marburg die Hinweisgeberin für ihre Anonymität an und lehnte eine ernsthafte Diskussion ab. Auch die Stadt selbst erklärte, auf anonym vorgebrachte Hinweise nicht reagieren zu wollen. Ironischerweise geschieht dies in einem Umfeld, das zugleich anonyme Hinweise auf "Hassrede" und "Hetze" – etwa über die Plattform "HessenGegenHetze" – ausdrücklich fordert und entgegennimmt.

Rechtsstaat lebt vom Mut der Bürger

Dass es letztlich die Sorge vor einem Rechtsstreit, öffentlichem Druck oder eine Intervention höherer Behörden war, die die Stadt zur Rücknahme der Mitteilung bewegte, ist Spekulation. Doch der zeitliche Zusammenhang legt nahe: Der Bürgerhinweis zeigte Wirkung.

Dieser Fall ist ein Mahnmal für den sorglosen Umgang mancher Kommunen mit ihrer rechtlichen Verantwortung. Und ein Lehrbeispiel für die Wirkmacht von Engagement, juristischem Sachverstand und dem festen Willen, demokratische Prinzipien auch gegen die eigene Verwaltung durchzusetzen.

Was bleibt?

Der Fall Marburg zeigt: Neutralität ist kein nettes Prinzip, sondern eine rechtliche Verpflichtung. Demokratie lebt nicht nur vom Kampf gegen Extreme, sondern auch von der Einhaltung rechtsstaatlicher Spielregeln durch die Verwaltung. Wenn diese sich politisch einseitig positioniert, gerät die Demokratie selbst in Gefahr.

Dass eine einzelne Bürgerin dies aufdeckte und erfolgreich Druck ausübte, verdient Respekt. Und es erinnert daran: Auch in Zeiten zunehmender Polarisierung ist es möglich, mit Fakten und Mut dem Rechtsstaat Geltung zu verschaffen.

 

 

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