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EU-Sanktionen gegen Alina Lipp und Thomas Röper

20. Mai 2025 // geschrieben von Manfred
Alina Lipp und Thomas Röper mit Russlands-Außenminister Lawrow (Quelle: Telegram Alina Lipp)

Am 20. Mai 2025 hat die Europäische Union ihr 17. Sanktionspaket gegen Russland verabschiedet, das erstmals auch EU-Bürger ins Visier nimmt: die deutschen Blogger Alina Lipp und Thomas Röper. Beiden wird vorgeworfen, durch ihre Berichterstattung „destabilisierende Aktivitäten Russlands“ zu unterstützen und pro-russische Propaganda zu verbreiten. Dieser Schritt wirft nicht nur Fragen zur Meinungsfreiheit auf, sondern stellt auch die rechtliche Legitimität solcher Maßnahmen gegen eigene Bürger in den Fokus. Dieser Artikel beleuchtet den Sachverhalt umfassend, erklärt die Bedeutung von EU-Sanktionen und analysiert kritisch, warum die Sanktionierung von EU-Bürgern rechtlich fragwürdig ist.

Der Sachverhalt: Wer sind Alina Lipp und Thomas Röper?

Alina Lipp, geboren 1993 in Hamburg, und Thomas Röper, geboren 1971 in Bremen, sind deutsche Staatsbürger, die seit Jahren in Russland leben. Lipp betreibt den Telegram-Kanal „Neues aus Russland“ und war zuvor mit ihrem YouTube-Kanal „Glücklich auf der Krim“ aktiv. Röper ist Betreiber des Blogs „Anti-Spiegel“, auf dem er sich als kritischer Beobachter westlicher Medien positioniert. Beide werden von der EU beschuldigt, pro-russische Narrative zu verbreiten, insbesondere in Bezug auf den Ukraine-Konflikt. Konkret wirft man ihnen vor, Desinformationen wie die Leugnung des Massakers von Butscha oder die Verbreitung von Verschwörungsmythen über angebliche US-Biowaffenlabore in der Ukraine zu verbreiten.

Die Staatsanwaltschaft Göttingen ermittelt seit 2022 gegen Lipp wegen des Anfangsverdachts der Billigung von Straftaten im Zusammenhang mit ihrer Berichterstattung über den russischen Angriffskrieg. Beide Blogger haben sich in Russland etabliert, wo sie unter anderem mit russischen Staatsmedien kooperieren und prominente Persönlichkeiten wie Außenminister Sergei Lawrow trafen. Ihre Reichweite ist erheblich: Lipps Telegram-Kanal hat über 180.000 Abonnenten, und Röpers „Anti-Spiegel“ zählt zu den einflussreichsten alternativen Medien in der deutschsprachigen Szene.

Die EU begründet die Sanktionen mit der Notwendigkeit, „destabilisierende Aktivitäten Russlands“ einzudämmen, wobei Lipp und Röper als „reichweitenstarke Propagandisten“ eingestuft werden. Neben ihnen zielen die Sanktionen auch auf russische Unternehmen, IT-Firmen und die sogenannte Schattenflotte, die russisches Öl trotz bestehender Embargos transportiert.

Was bedeuten EU-Sanktionen?

EU-Sanktionen sind Maßnahmen, die von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union beschlossen werden, um politische, wirtschaftliche oder sicherheitspolitische Ziele durchzusetzen. Sie richten sich typischerweise gegen Staaten, Organisationen oder Einzelpersonen außerhalb der EU, die als Bedrohung für die Sicherheit oder die Werte der Union angesehen werden. Zu den gängigen Sanktionsmaßnahmen gehören:

  • Einreiseverbote: Betroffene dürfen nicht in die EU einreisen oder sich dort aufhalten.
  • Vermögenssperren: Bankkonten und Vermögen in der EU werden eingefroren.
  • Wirtschaftliche Beschränkungen: Verbot von Geschäftsbeziehungen mit sanktionierten Personen oder Unternehmen.
  • Handelsbeschränkungen: Einschränkungen beim Export oder Import bestimmter Güter.

Die Sanktionen gegen Lipp und Röper umfassen laut Berichten Einreiseverbote und die Beschlagnahmung von Vermögen ohne Gerichtsverfahren. Dies bedeutet, dass ihre finanziellen Ressourcen in der EU eingefroren werden und sie keine beruflichen oder wirtschaftlichen Aktivitäten mehr in der EU ausüben dürfen. Für EU-Bürger, die von solchen Maßnahmen betroffen sind, hat dies weitreichende Konsequenzen: Sie können keine Bankkonten mehr führen, keine Gehälter beziehen und riskieren, dass Dritte, die mit ihnen zusammenarbeiten, ebenfalls strafrechtlich verfolgt werden.

Rechtliche Fragwürdigkeit der Sanktionen gegen EU-Bürger

Die Aufnahme von EU-Bürgern wie Lipp und Röper auf die Sanktionsliste wirft erhebliche rechtliche und ethische Fragen auf, die den Kern des europäischen Rechtsstaats berühren. Hier sind die zentralen Kritikpunkte:

Verletzung der Meinungsfreiheit: Die Sanktionen basieren auf der Behauptung, dass Lipp und Röper Desinformationen verbreiten. Doch die Definition von „Desinformation“ ist vage und subjektiv. Artikel 11 der EU-Grundrechtecharta garantiert die Meinungsfreiheit, einschließlich des Rechts, Informationen zu verbreiten und zu empfangen. Ohne konkrete Beweise für strafbare Handlungen – wie etwa die Finanzierung terroristischer Aktivitäten oder direkte Beteiligung an Gewalt – erscheinen die Sanktionen als unverhältnismäßige Einschränkung dieses Grundrechts. Die Tatsache, dass beide Blogger ohne Gerichtsverfahren sanktioniert werden, verstärkt den Eindruck einer politisch motivierten Maßnahme zur Unterdrückung kritischer Stimmen.

Fehlende rechtliche Grundlage: EU-Sanktionen richten sich traditionell gegen Drittstaaten oder Nicht-EU-Bürger. Die Anwendung auf eigene Bürger ist ein Novum und fehlt einer klaren rechtlichen Grundlage im EU-Recht. Nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) können Sanktionen gegen Personen verhängt werden, die eine Bedrohung für die Sicherheit darstellen. Doch weder Lipp noch Röper wurden rechtskräftig verurteilt, und die Vorwürfe gegen sie – wie die Leugnung von Kriegsverbrechen – fallen in der Regel unter die Meinungsfreiheit, solange sie nicht explizit zur Gewalt aufrufen. Ohne ein faires Gerichtsverfahren verstoßen die Sanktionen gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit, insbesondere gegen Artikel 47 der EU-Grundrechtecharta, der ein Recht auf ein faires Verfahren garantiert.

Willkür und Präzedenzfall: Die Sanktionen könnten als Testlauf für eine breitere Unterdrückung kritischer Stimmen in der EU dienen. Thomas Röper selbst warnte, dass solche Maßnahmen den Weg für eine systematische Sanktionierung regierungskritischer Journalisten oder Aktivisten ebnen könnten. Wenn Regierungen ohne Gerichtsbeschluss Vermögen einfrieren und Bürger faktisch entrechten können, wird der Rechtsstaat ausgehöhlt. Dies erinnert an autoritäre Praktiken, wie sie in der DDR bei der Ausbürgerung von Dissidenten wie Wolf Biermann angewandt wurden.

Prozesskostenhilfe und Rechtsschutz: Betroffene EU-Bürger könnten unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe (PKH) beantragen, um sich juristisch gegen die Sanktionen zu wehren. Doch der Zugang zu Rechtsschutz ist durch die Vermögenssperren stark eingeschränkt, da Betroffene oft keine finanziellen Mittel mehr haben, um Anwälte zu bezahlen. Zudem ist unklar, ob Gerichte in der EU bereit sind, solche politisch sensiblen Fälle unabhängig zu prüfen, insbesondere angesichts der engen Verflechtung von Organisationen wie Correctiv mit staatlichen Akteuren.

Diskriminierung und Stigmatisierung: Die Sanktionen stigmatisieren Lipp und Röper als „Propagandisten“, ohne dass eine unabhängige Instanz ihre Arbeit umfassend geprüft hat. Organisationen wie Correctiv, die die Sanktionen öffentlich unterstützen, werden kritisch als verlängerter Arm staatlicher Interessen betrachtet. Die einseitige Berichterstattung in westlichen Medien, die alternative Perspektiven oft als „russische Propaganda“ abtut, trägt zur Polarisierung bei und untergräbt einen offenen Diskurs.

Ein Angriff auf die Demokratie

Die Sanktionen gegen Alina Lipp und Thomas Röper markieren einen gefährlichen Präzedenzfall. Indem die EU ihre eigenen Bürger ohne Gerichtsverfahren sanktioniert, untergräbt sie die Prinzipien von Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit, die sie vorgibt zu verteidigen. Die vage Begründung der „destabilisierenden Aktivitäten“ lässt Raum für willkürliche Interpretationen und könnte in Zukunft dazu genutzt werden, jede Form von Regierungskritik zu kriminalisieren.

Die Tatsache, dass beide Blogger in Russland leben und dort mit staatlichen Akteuren zusammenarbeiten, macht sie zwar zu umstrittenen Figuren. Doch die Frage bleibt: Ist die Verbreitung kontroverser Ansichten ausreichend, um Bürgerrechte wie Eigentum und Bewegungsfreiheit zu entziehen? Ohne klare Beweise für strafbare Handlungen erscheinen die Sanktionen als politisch motivierte Maßnahme, um abweichende Meinungen zu unterdrücken.

Fazit

Die Aufnahme von Alina Lipp und Thomas Röper auf die EU-Sanktionsliste ist ein beunruhigendes Signal für die Meinungsfreiheit und den Rechtsstaat in Europa. Die Maßnahmen werfen grundlegende Fragen zur Verhältnismäßigkeit und rechtlichen Legitimität auf, insbesondere da sie ohne Gerichtsverfahren verhängt werden. Die EU riskiert, mit solchen Schritten ihre Glaubwürdigkeit als Verteidigerin demokratischer Werte zu verspielen. Es bleibt zu hoffen, dass die betroffenen Blogger juristische Mittel finden, um sich zu wehren, und dass die Öffentlichkeit diesen Fall kritisch hinterfragt. Denn wenn der Staat beginnt, seine Bürger ohne Beweise zu sanktionieren, steht die Freiheit aller auf dem Spiel.