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Ulrich Siegmund – Zwischen Fundamentalopposition und Regierungsambition

25. September 2025 // geschrieben von Manfred
Ulrich Siegmund (Quelle: Landtag Sachsen Anhalt)

Ulrich Siegmund inszeniert sich als Politiker mit schlichtem Kompass und hartem Ziel: „Alleinregierung“ in Sachsen-Anhalt. Kompromisse, so sagt er, seien nur dort akzeptabel, wo es um Detailfragen gehe – bei „grundsätzlichen“ Themen wolle er keinerlei Abstriche machen. Dieser Grundton zieht sich durch sein ganzes Selbstbild: Gesetzestreue als Programm, Sparsamkeit als Tugend, und eine scharfe Abgrenzung gegen „verkrustete“ Strukturen, die er dem etablierten Parteiensystem zuschreibt.

Sein Weg in die Politik beginnt klassisch konservativ. Mit 18 tritt Siegmund in die CDU ein, verlässt sie jedoch sechs Jahre später desillusioniert. Auslöser sei die Euro-Rettungspolitik gewesen; 2014 wechselt er zur AfD – für ihn eine „konsequentere“ Heimat der eigenen Überzeugungen. Diese biografische Wegmarke dient ihm heute als Beleg zweier Dinge: persönlicher Konsequenz und der Erzählung, die Union habe ihre Prinzipien zugunsten bloßer Machtarithmetik aufgegeben.

Siegmunds Regierungsversprechen ist radikal einfach: Er will „alle sozialen Anreize“ reduzieren, die aus seiner Sicht irreguläre Migration begünstigen, und verweist dafür auf Dänemark als Vorbild. Abschiebungen betrachtet er als Länderaufgabe, die konsequenter betrieben werden müsse; zugleich trennt er – rhetorisch – zwischen gut integrierten Zuwanderern und jenen, die „unser System ausnutzen“. Die Sprache ist bewusst hart („so ungemütlich wie möglich“), aber stets unter dem Siegel der Rechtstreue: Nicht neue Gesetze schaffen, sondern bestehendes Recht „endlich durchsetzen“. Innere Sicherheit, Migration, Energie und „Gender-Themen“ nennt er als ideologische Kernfelder, an denen die AfD „keinesfalls“ kompromissbereit sein dürfe.

Im Verhältnis zu anderen Parteien gibt sich Siegmund zweigleisig. Einerseits reklamiert er grundsätzliche Gesprächsbereitschaft „über Fraktionsgrenzen hinweg“, wenn Inhalte stimmten; er verweist auf kommunale Kooperationen mit der CDU bei einzelnen Anträgen. Andererseits konstatiert er auf Landes- und Bundesebene eine unüberbrückbare Kluft – und deutet die „Brandmauer“ gegen die AfD als Zeichen ideologischer Verbohrtheit und bloßen Machterhalts. Für Sachsen-Anhalt prognostiziert er eine „Richtungswahl“: Entweder eine AfD-Alleinregierung – oder, so seine Warnung, eine Öffnung der CDU nach links.

Zentral für Siegmunds Selbstbeschreibung ist Medienkritik. Öffentlich-rechtliche Sender gelten ihm als „vierte Gewalt“ der Desinformation. Eine frühe Amtshandlung als Ministerpräsident, so sein Plan, wäre die Kündigung des Medienstaatsvertrags mit Blick auf den MDR, als Hebel zur Abschaffung des „Rundfunkzwangsbeitrags“. Ob und wie das juristisch tragfähig ist, blendet er nicht völlig aus, setzt aber auf einen „Dominoeffekt“: Sachsen-Anhalt als Startpunkt einer bundesweiten Neuordnung. Der Verfassungsschutz wiederum erscheint in seiner Erzählung als politisches Instrument gegen die AfD – eine Diagnose, die er mit Verweis auf aus dem Zusammenhang gerissene Zitate und kampagnenartige Berichterstattung unterfüttert.

Ökonomisch schlägt Siegmund klassische bürgerliche Töne an: strikter Respekt vor „jedem Steuereuro“, Ablehnung der Erbschaftsteuer als Doppelbesteuerung, Kritik an Rentenbesteuerung, administrative Verschlankung („Ministerien zusammenlegen“), Umleiten von Mitteln „von der Verschwendung hin zu Rentnern und Familien“. Die Pose des Praktikers stützt er biografisch: Ausbildung im kaufmännischen Bereich, Stationen in der Medizinbranche, Gründung eines Handelsgeschäfts für „Raumbeduftung“. Wer Geld selbst verdient habe, so sein Tenor, wisse öffentliche Mittel anders zu schätzen.

In der Bildungs- und Gesellschaftspolitik kombiniert Siegmund kulturkritische Diagnose mit einem ordnungspolitischen Instrumentenkasten. Gegen Unterrichtsausfall und „Niveausenkung“ fordert er entschlackte Lehrpläne und mehr Freiraum für Lehrer. Als Übergangsidee propagiert er eine „Bildungspflicht“ statt Schulpflicht – nicht als generelles Homeschooling-Programm, sondern als Ausweichspur für problematische Schulumfelder (Gewalt, lange Wege im ländlichen Raum). Zur Geschichtspolitik betont er die Anerkennung „dunkler Kapitel“, wendet sich aber gegen eine aus seiner Sicht einseitige Fixierung und plädiert für eine „Gesamtbetrachtung“, die auch positive Traditionslinien würdigt.

Außen- und sicherheitspolitisch verweist Siegmund auf seine Rolle als Landespolitiker, formuliert aber den Rahmen: Wehrpflicht nur zur Verteidigung, Deeskalation nach außen, keine „fremden Kriege“. Präsenz der Bundeswehr im Baltikum sieht er skeptisch; gegenüber USA und Russland wünscht er „respektvolle“ Beziehungen – stets mit dem Primat deutscher Interessen. Eine NATO-Ausstiegsforderung erhebt er nicht; vielmehr grenzt er sich von „Angriffsfähigkeit“ als Leitidee ab.

Kommunikativ ist Siegmund ein Vollzeit-Kampagnisierer. Er hat Reichweite über TikTok, inzwischen stärker über Instagram, Facebook, YouTube und X. Der Kern seiner Social-Media-Strategie: Gegenöffentlichkeit. Er will komplexe Prozesse „verständlich“ darstellen und so Menschen zu einer eigenen Sicht auf die AfD führen – mit der Überzeugung, wer die „andere Perspektive“ sehe, lande „über kurz oder lang“ bei seiner Partei. Im innerparteilichen Koordinatensystem bekennt er sich zum „Meinungspluralismus“ und weist die Figur des „heimlichen Herrschers“ (Björn Höcke) zurück: Entscheidungen fielen basisdemokratisch auf Parteitagen; unterschiedliche Töne seien legitim, solange das Grundgesetz die Grenze bilde.

Privat gibt es wenige Akzente. Sein Kirchenaustritt (2017) markiert Distanz zur „politisierten“ Rolle der Kirchen in Deutschland. Das Bild des „normalen Menschen“ – jemand, der „mit 16 gekellnert“ hat, „für 4 Euro die Stunde“ gearbeitet – ist Baustein seiner Authentizitätsrhetorik.

So entsteht das Profil eines Politikers, der die AfD zugleich als Korrektiv und als Regierungspartei erzählt: kompromisslos in Kernfragen, pragmatisch bei Detailtechnik und Verwaltungsumbau, konfrontativ gegenüber Medien und Institutionen, strategisch im Blick auf eine „Vorreiterrolle“ Sachsen-Anhalts. Ob diese Mischung über Umfragen hinaus trägt, weiß Siegmund selbst: Umfragen sind „keine Wahl“. Die nächsten zwölf Monate, sagt er, seien der Test, ob seine „positive Vision“ – Aufbruch, Sicherheit, Ordnung, fiskalische Strenge – mehr ist als die Summe zugespitzter Slogans. Seine Antwort darauf steht fest: Sie soll an der Regierung gegeben werden, nicht in der Opposition.

Ulrich Siegmund im Interview bei Nius

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