Zum Hauptinhalt springen

Dunkelflaute trifft leere Speicher – Deutschland spielt Energie-Roulette

22. Oktober 2025 // geschrieben von Manfred

Es wird kalt. Und Deutschland zündet sich in aller Ruhe die letzte Kerze an, während das Streichholz langsam herunterbrennt. Die Gasspeicher sind in diesem Jahr deutlich schwächer gefüllt als sonst — statt der gewohnten 90 % Reserve liegen sie derzeit nur knapp über 70 %. Das klingt nach „gar nicht so schlimm“. Ist es aber. Denn wenn der Winter zuschlägt, kann aus „noch reicht’s“ sehr schnell „Licht aus“ werden. 

Der Unterschied zwischen 90 % und 70 % ist kein Rechenspiel — sondern eine Sollbruchstelle

Die Speicher sind kein Selbstzweck. Sie sollen die Versorgung in den Verbrauchsspitzen des Winters stabilisieren. Fehlen 20 % Reserve, fehlen nicht 20 % Komfort — sondern Tage oder Wochen an Versorgungssicherheit. Denn:

  • Gas fließt nicht beliebig schnell in den Speicher. Während im Sommer pro Tag 0,2-0,3% der Kapazität aufgefüllt werden kann, entleeren sich die Speicher inzwischen mit dieser Tagesrate (siehe Chart)
  • Ein kalter Winter saugt die Vorräte regelrecht leer. Zwischen Ende Oktober eines Jahres und Anfang März des Folgejahres sinken die Speicherfüllstände um 35-70%.
  • Gleichzeitig muss Gas nicht nur Wohnungen heizen, sondern auch Kraftwerke antreiben und Industrie beliefern.
  • Verbrauchen und Gewerbekunden verhalten sich seit Jahren sehr sparsam, was aber bedeutet, dass weitere Einsparpotentiale begrenzt sein dürften. Obwohl der Gesamtgasverbauch in diesem Jahr um bis zu 20% unter dem Vorjahr liegt, ist der Speicherfüllstand zu dieser Jahreszeit stark unterdurchschnittlich und liegt außerhalb der Konfidenzzone.

Kurz gesagt: Wer jetzt noch glaubt, 70 % seien „eigentlich ganz ordentlich“, hat das Prinzip Puffer nicht verstanden.

Was passiert, wenn der Winter streng wird?

Stell dir Folgendes vor: Im Januar zieht eine stabile Kältewelle über Mitteleuropa. Heizungen laufen durch. Die Industrie fährt die Produktion noch hoch, weil die Auftragsbücher es verlangen. Gleichzeitig liefern Windräder wegen Flaute kaum Strom und Solaranlagen sehen unter grauem Himmel auch nicht viel Sonne. Dann muss Gas nicht nur Wärmespender, sondern auch Stromlieferant sein.

Folge: Die Speicher werden nicht langsam geleert — sie werden abgesaugt wie ein Strohhalm in einem leeren Glas. Die Preise schießen in die Höhe. Versorger schlagen Alarm. Erste Industriebetriebe müssen ihre Produktion drosseln, um Lieferverpflichtungen im Haushaltsbereich zu erfüllen. Kommunen denken über Temperaturabsenkungen in öffentlichen Gebäuden nach. Verbraucher merken es am Gaspreis — und im schlimmsten Fall an der Versorgung selbst.

Wenn Wind und Sonne versagen, frisst der Strommarkt das Gas

Deutschland muss aktuell wieder Strom importieren, weil Wind und Sonne schwächeln. Das ist kein Ausnahmezustand, sondern bereits Realität. Wenn die Dunkelflauten im Winter zunehmen — und das tun sie erfahrungsgemäß — verschärft das die Lage, denn mehr Gas wird zur Stromerzeugung benötigt. Die Speicher leeren sich schneller. Die Netzstabilität hängt an dünnen Fäden.

Die Energiepolitik hat in den letzten Jahren stark auf das Prinzip Hoffnung gesetzt: „Wenn Sonne und Wind nicht liefern, werden wir schon irgendwie kompensieren.“

Nur: Ohne volle Speicher gibt es nichts zu kompensieren.

Industrie am Limit – Verbraucher unter Druck – Politik auf dünnem Eis

Wenn die Speicher vorzeitig aufgebraucht sind, hat das nicht nur Preisschübe zur Folge. Es kann bedeuten, dass die Politik ungewöhnliche Maßnahmen ergreifen könnte oder müsste:

  • Priorisierung: Haushalte werden bevorzugt versorgt – Industrie steht hintenan. Das kann Produktionsstopps bedeuten.
  • Rationierungen: In einzelnen Regionen kann die Versorgung gedrosselt werden, um das Netz stabil zu halten.
  • Politische Notmaßnahmen: Energieintensive Branchen könnten per Anordnung heruntergefahren werden.
  • Preisexplosionen: Spotmarktpreise könnten sich vervielfachen – mit unmittelbaren Folgen für Endverbraucher.

Die Politik wird dann hektisch Rettungspakete schnüren. Aber die entscheidende Frage wird nicht mehr lauten ob es Engpässe gibt – sondern wo zuerst.

Wer glaubt, das sei Panikmache, hat 2022 vergessen! Schon vor zwei Jahren stand Deutschland mit dem Rücken zur Wand. Damals haben milde Temperaturen, volle Speicher und Notfallimporte Schlimmeres verhindert. Dieses Mal sind die Voraussetzungen schlechter.

Denn die Speicher sind deutlich schwächer gefüllt, dieImportabhängigkeit ebi Strom ist gestiegen und der Systempuffer dünner denn je.

Fazit: Wer mit 70 % Reserve in den Winter geht, spielt kein Schach – sondern Russisch Roulette

Wenn die Gasspeicher nicht schnell und konsequent aufgefüllt werden (und dies dürfte nahezu unmöglich sein), könnte Deutschland in den kommenden Monaten eine handfeste Energiekrise erleben – auch ohne geopolitische Eskalation. Ein paar kalte Wochen reichen. Ein paar Dunkelflauten. Ein paar politische Fehlentscheidungen mehr.

Wir benutzen Cookies
Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, Ihnen Content (wie z.B. Youtube Videos) anzubieten. Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. In den unten verlinken Datenschutzhinweisen erklären wir ausführlich unsere Cookie-Policy. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung von Cookies womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen. Sie können Ihre Entscheidung über einen Link im unteren Teil der Webseite jederzeit widerrufen oder neu erteilen.