Doppelte Klatsche für die Stadt Staufenberg – und zum Schluss gab’s vom VGH sogar eine Rüge
Staufenberg/Kassel/Gießen - Die Stadt Staufenberg hat innerhalb von nur zwei Tagen eine juristische Niederlage erlitten, die ihresgleichen sucht. Erst kassierte sie vor dem Verwaltungsgericht Gießen (VG) ein deutliches Urteil gegen das von ihr verhängte Versammlungsverbot. Und nur 48 Stunden später bestätigte auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) die Entscheidung – versehen mit ungewöhnlich klaren Worten, die man als amtliche Rüge werten kann.
Kern des Konflikts: Die Stadt hatte einen Schweigemarsch zum Gedenken an gefallene Soldaten vollständig verboten. Doch wie sich nun zeigt, geschah dies ohne ausreichende rechtliche Grundlage, ohne nachvollziehbare Ermessensabwägung – und in Teilen sogar unter Missachtung verfassungsrechtlicher Maßstäbe.
Gerichte: Verbot „offensichtlich rechtswidrig“
Bereits das Verwaltungsgericht Gießen ließ keinen Zweifel: Das Totalverbot der Stadt Staufenberg war rechtlich nicht haltbar. Die Richter stellten fest, dass die Stadt zwar zahlreiche Mutmaßungen über einen angeblichen NS-Bezug der Versammlung vorgetragen hatte – aber keinerlei konkrete Gefahren belegte. Besonders schwer wog, dass die Stadt im Bescheid praktisch keine Ermessensabwägung vorgenommen hatte. Stattdessen behauptete sie schlicht, ein Totalverbot sei „der einzig mögliche Eingriff“.
Das VG stellte dem gegenüber fest, dass die Behörde weder mildere Mittel geprüft noch plausibel gemacht hatte, warum Beschränkungen – etwa zur Anzahl von Fackeln oder symbolischen Elementen – nicht ausgereicht hätten. Das Gericht stellte deshalb die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wieder her und bezeichnete das Verbot als „offensichtlich rechtswidrig“.
VGH: Stadt argumentiert ohne Grundlage – Rüge für Staufenberg
Doch die zweite Ohrfeige folgte in Kassel. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof bestätigte die Entscheidung des VG nicht nur – er kritisierte die Haltung der Stadt Staufenberg in ungewohnter Deutlichkeit.
Der VGH stellte klar, dass bloße Vermutungen, politische Zuschreibungen oder subjektive Deutungen der Stadt keine Versammlungsverbote rechtfertigen können. Dass Fackeln, klassische Musik oder schwarz-weiß-rote Fahnen automatisch einen NS-Bezug hätten, wies das Gericht ausführlich zurück.
Besonders scharf fiel die Kritik des VGH an der Gefahrenprognose der Stadt aus:
- Die angeblichen Sicherheitsrisiken durch Fackeln seien erstmals in der Beschwerdebegründung erwähnt worden – und fänden keine Stütze in der eigenen Akte.
- Die Prognose sei spekulativ, nicht belegt und in Teilen widersprüchlich.
- Die Stadt habe weder tatsächliche Gefahren noch verfassungsrechtlich relevante Schutzgüter konkret benannt.
Das Gericht betonte, dass Grundrechtseingriffe – insbesondere Beschränkungen der Versammlungsfreiheit – strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen unterliegen und nicht aufgrund politischer Deutungen oder moralischer Bewertungen erfolgen dürfen.
Zwischen den Zeilen ist klar: Die Stadt Staufenberg wurde dafür gerügt, Grundrechte missachtet, falsche Maßstäbe angelegt und ein unverhältnismäßiges Verbot erlassen zu haben.
Grundrechtswidrige Haltung – und Steuergeld als Kollateralschaden
Bei der Bewertung des Vorgangs drängt sich ein Gesamtbild auf, das für die Stadt Staufenberg politisch wie finanziell peinlich ist.
Beide Gerichte betonen, dass die Stadt nicht ansatzweise die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung vorgenommen hat.
- Keine Prüfung milderer Mittel
- Keine konkrete Gefahr
- Kein belastbarer Bezug zu NS-Verherrlichung
- Keine tatsächliche Grundlage für schwerwiegende Eingriffe
Damit hat Staufenberg eines der wichtigsten Grundrechte – die Versammlungsfreiheit – ohne rechtliche Notwendigkeit ausgehöhlt.
Die Stadt verlor das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht (VG) sowie das das Verfahren vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH).
In beiden Fällen muss sie die kompletten Verfahrenskosten tragen. Hinzu kommen interne Personalaufwände, anwaltliche Beratungszeiten und Einsatzkosten für kommunale Ressourcen.
Die Ursache dieser Mehrkosten ist ein Verwaltungsakt, der schlecht begründet war, der auf Mutmaßungen statt Tatsachen beruhte und der laut Gericht mit elementaren Rechtsstaatsprinzipien nicht vereinbar war.
Es ist daher kein juristischer Unfall – sondern eine politisch-administrative Fehlentscheidung, die die Steuerzahler nun doppelt finanziell belastet.
Ein Fall, der Konsequenzen haben dürfte
Die ungewöhnlich deutlichen Hinweise des VGH – inklusive der vollständigen Zurückweisung sämtlicher Argumente der Stadt – zeigen eine klare Erwartung an die Verwaltungspraxis:
Rechtsstaat gilt für alle. Auch und gerade für Behörden.
Staufenberg hat in diesem Fall demonstriert, dass politische oder moralische Bewertung einer Versammlung nicht über den Grundrechten stehen darf.
Dass der VGH sich gezwungen sah, in einem Eilverfahren eine vollumfängliche Kontrolle vorzunehmen, statt – wie üblich – nur die vorgetragenen Beschwerdegründe zu prüfen, kann man kaum anders interpretieren als:
Eine klare, deutliche Rüge darüber, wie die Stadt Staufenberg mit Grundrechten und rechtsstaatlichen Anforderungen umgegangen ist.
Fazit
Die Stadt Staufenberg hat innerhalb kürzester Zeit zwei empfindliche juristische Niederlagen kassiert – und dazu noch eine de facto amtliche Rüge hinsichtlich ihres Umgangs mit der Versammlungsfreiheit.
Was bleibt, ist ein Schaden für den Ruf der Verwaltung, ein Schaden für das Vertrauen in rechtsstaatliches Handeln – und ein Schaden für die städtischen Finanzen.
Beide Gerichte haben unmissverständlich klargemacht: Grundrechte dürfen nicht auf Verdacht eingeschränkt werden. Und sie dürfen schon gar nicht aus politischer Opportunität verletzt werden.