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Der Gigawatt-Deal: Wie AMD und OpenAI die Bewertungslogik der KI-Industrie auf die Spitze treiben

07. Oktober 2025 // geschrieben von Manfred

Am 6. Oktober 2025 kündigten AMD und OpenAI eine „strategische Multi-Generationen-Partnerschaft“ an, die in ihrer Dimension kaum zu übersehen ist: OpenAI verpflichtet sich, Rechenleistung im Umfang von bis zu sechs Gigawatt auf Basis künftiger AMD-Instinct-Chips zu beziehen. Begleitet wird das Abkommen von einer Warrant-Vereinbarung, die OpenAI ermöglicht, bis zu 160 Millionen AMD-Aktien zu einem symbolischen Preis von 0,01 US-Dollar zu erwerben – rund 10 Prozent des Unternehmens, abhängig von bestimmten Leistungs- und Kurszielen.

Für beide Seiten ist das ein Meilenstein. Doch hinter der Euphorie über technische Skalierung und wirtschaftliche Synergien steckt ein riskantes Spiel mit Bewertungen, Anreizen und Marktpsychologie.

Gigawatt als Machtmaß – und Marketinginstrument

„Sechs Gigawatt Compute“ klingt beeindruckend – und soll es auch. Tatsächlich handelt es sich dabei nicht um reale Energieabnahme, sondern um eine Größenordnung für Rechenzentrumskapazität: Wenn OpenAIs Cluster künftig voll ausgelastet wären, entspräche ihr Strombedarf etwa dem von zwei bis drei Millionen Haushalten.

Die Verwendung dieser Einheit ist kein Zufall. Sie ersetzt klassische Metriken wie „FLOPS“ oder „GPU-Zahl“ durch ein Maß, das Investoren, Politik und Öffentlichkeit unmittelbar verstehen. Energie wird so zum Symbol für digitale Industrialisierung – und zur Währung eines neuen Technologie-Wettlaufs.

Doch die Zahl ist trügerisch stabil: Hardware wird effizienter, Auslastung schwankt, Kühlung variiert. „6 GW Compute“ im Jahr 2028 wird deutlich mehr Rechenleistung liefern als 6 GW im Jahr 2025. Das macht die Einheit zu einer Art PR-Abkürzung für Ambition, nicht zu einer objektiven Kennziffer.

Reflexivität und Bewertung: Wenn Kursziele zur Strategie werden

Brisanter ist die Finanzierungsstruktur. OpenAI erhält AMD-Warrants, deren Freigabe an operative Fortschritte – und teils an bestimmte Aktienkursziele von AMD – gekoppelt ist. Damit entsteht ein Reflexivitäts-Effekt, wie ihn George Soros einst beschrieben hat:

„Erwartungen beeinflussen Fundamentaldaten, und Fundamentaldaten rechtfertigen Erwartungen.“

Wenn AMDs Kurs steigt, werden neue Tranchs freigeschaltet; das wiederum befeuert mediale Aufmerksamkeit, stärkt das Vertrauen der Anleger – und treibt den Kurs weiter.
Ein positiver Feedback-Loop, der realwirtschaftliche Leistung und Börsenstimmung ungesund eng verknüpft.

Solche Strukturen verwandeln Bewertung in einen Anreizmechanismus. Das kann Wachstum beschleunigen, aber auch Übertreibungen erzeugen – vor allem in einem Markt, in dem Kapital billiger ist als Energie und der Glaube an exponentielle Skalierung zur Geschäftsgrundlage geworden ist.

Der KI-Rüstungswettlauf: CAPEX über alles

Mit dem Deal positioniert sich AMD als Nvidia-Herausforderer, während OpenAI den nächsten Schritt seiner Hardware-Diversifikation vollzieht. Doch die eigentliche Botschaft ist: Das Wettrüsten geht weiter.

Nahezu alle großen KI-Akteure – Microsoft, Google, Meta, Amazon und OpenAI – haben Milliardenprogramme für Infrastruktur angekündigt. Die Rede ist von Dutzenden Gigawatt, von Rechenzentrumsfarmen im Maßstab kleiner Industrienationen.

Doch diese Dynamik birgt ein klassisches Risiko: Investieren über die Verhältnisse.

Wenn Umsatzmodelle (API-Gebühren, Lizenzierungen, Abonnements) langsamer wachsen als der Investitionshunger, droht eine CAPEX-Blase. Die Fixkosten steigen, die Amortisationsdauer wird länger, und jeder neue Technologie-Zyklus verlangt frisches Kapital. Ein Teil des aktuellen KI-Hypes basiert somit auf Vorfeldbewertungen, die bereits zukünftige Rechenleistung in den Kursen einpreisen – eine Art Verschuldung gegen Erwartungen.

Von Partnerschaft zu Club-Ökonomie

Die Verflechtung zwischen Software-Plattformen (OpenAI, Anthropic, Google DeepMind) und Hardware-Produzenten (Nvidia, AMD, Broadcom, TSMC) nimmt oligopolistische Züge an. Solche vertikalen Bündnisse können Effizienz und Innovationsgeschwindigkeit steigern – aber sie schaffen auch Zugangshürden.

Wenn nur noch wenige Unternehmen Zugang zu Spitzengenerationen von GPUs, Datensätzen und Energieinfrastruktur haben, verengt sich der Markt. Kleinere Start-ups oder akademische Projekte werden an die Peripherie gedrängt, weil sie schlicht keine Rechenkapazität mehr bekommen.

Regulatoren in den USA, der EU und Großbritannien beobachten diese Entwicklung aufmerksam. Denn selbst wenn keine formelle Übernahme stattfindet, können exklusive Lieferverträge, Datenbündel und Preisgarantien de facto zu Marktabschottung führen – ein Phänomen, das manche Analysten bereits als Merger-by-Contract bezeichnen.

Die gefährliche Logik des gegenseitigen Auftriebs

In der Summe deutet der AMD–OpenAI-Deal auf ein System gegenseitiger Bewertungspflege:

  • OpenAI sichert sich Hardwarekapazität, die es für Wachstum benötigt.
  • AMD gewinnt Prestige, Umsatz und potenziell Aktienkurs-Dynamik.
  • Der Markt belohnt beide – was wiederum ihre vertraglichen Ziele stärkt.

Ein geschlossener Kreis aus Erwartung, Bewertung und Selbstverstärkung entsteht. Solange der Kapitalmarkt Vertrauen in die „KI-Story“ hat, funktioniert das – doch wenn einer der großen Player enttäuscht, könnten die Kettenreaktionen massiv sein. Denn diese Deals sind längst nicht mehr nur Technologiethemen, sondern makroökonomische Risiken.

Fazit: Ein Pakt mit Power – und Sprengkraft

Der OpenAI–AMD-Deal ist strategisch brillant, technologisch visionär – und finanziell riskant. Er symbolisiert eine neue Phase des KI-Zeitalters, in der Energieverbrauch zur Währung, Börsenkurse zu Anreizmechanismen und Partnerschaften zu Oligopol-Bausteinen werden.

Noch ist kein Pyramiden- oder Schneeballsystem erkennbar. Aber die Dynamik erinnert an Phasen der Geschichte, in denen Kapitalmärkte Realwirtschaft überholt haben: von der Dotcom-Euphorie bis zur CleanTech-Welle.

Wenn Bewertungen, Energie und Erwartungen sich gegenseitig aufschaukeln, ist Wachsamkeit gefragt. Denn auch im Zeitalter der künstlichen Intelligenz gilt: Physik, Ökonomie und Realität bleiben die härtesten Disziplinen.

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