„Unreiner Raum“? – Wie die Kunstszene sich selbst ideologisch sterilisiert
Es klingt nach einer organisatorischen Randnotiz: Ein Konzert ("Eisheilige Nacht"), das kurzfristig den Veranstaltungsort wechselt. Offiziell liest man von „terminlichen Gründen“, „organisatorischen Engpässen“ oder „technischen Notwendigkeiten“. So soll es wohl erscheinen. Doch die zeitliche Einordnung deutet auf ein anderes Motiv hin.
Der geplante Konzerttermin liegt knapp vor Weihnachten. An exakt diesem Ort soll wenige Wochen zuvor – Ende November – eine politische Veranstaltung, die Gründung des AfD-Jugendverbandes innerhalb der Bundespartei, stattfinden. Und weil man in der aktuellen Kulturszene um jeden Preis vermeiden möchte, mit einer „falschen“ politischen Gruppierung auch nur indirekt in Verbindung gebracht zu werden, wurde dem Ort kurzerhand das Konzert entzogen. Das ist – ob man es offen formuliert oder nicht – ein antidemokratisches Signal.
Kontaktschuld als neuer Maßstab
Nein, es geht nicht um Inhalte, die man selbst verbreitet. Es geht nicht darum, was die Künstler sagen oder spielen wollen. Es geht um eine Art prophylaktische „Abstandsregel“ – nicht räumlich, sondern politisch.
Das Vergehen besteht nicht darin, selbst etwas Problematisches zu tun, sondern in der Tatsache, dass ein paar Wochen vorher am gleichen Ort jemand anderes etwas tun und sagen wird, das nicht ins moralische Raster passt. Kontaktschuld 2.0. Nicht zwischen Menschen – sondern zwischen Räumen.
Aktivismus ersetzt Kunstfreiheit
Seit Jahren etabliert sich im institutionellen Kulturapparat ein Aktivismus, der permanent „Zeichen setzen“ will – allerdings selten so benannt wird. Er tritt vielmehr als „selbstverständliche Haltung“ auf. Die Dynamik: Eine Grenze wird irgendwo gezogen. Andere übernehmen sie reflexartig, aus Angst vor Zuschreibung, Förderverlust oder medialem Shitstorm. Die Kunst verliert den Charakter der offenen Reibungsfläche – und wird zu einem moralisch gefilterten Safe Space.
Was früher Pluralität und Experiment war, wird zunehmend zur selektiven Hygienezone. Ein Konzert zu verlegen, weil der Ort wenige Wochen zuvor „politisch vorbelastet“ wird, ist kein logistischer Akt. Es ist Symbolpolitik.
Und es ist paradox: Man verteidigt angeblich Demokratie – indem man demokratische Normalität (Aushalten von Gegensatz, Vielfalt der Räume, Differenzierung) aufgibt.
Ein Veranstaltungsort ist nicht automatisch „unrein“, nur weil dort Ende November eine unliebsame politische Stimme sprechen wird. Die Verlegung ist kein Sicherheitsakt, sondern ein Statement. Das implizite Narrativ dahinter lautet: "Wir wollen nicht frei sein – wir wollen korrekt sein."
Genau damit gibt sich die Kunstszene dem vorauseilenden Gehorsam hin, den sie sonst ideologisch als gefährlich markiert.
Fazit
Der Wechsel des Konzertortes knapp vor Weihnachten ist kein Nebenschauplatz – er markiert eine Haltung. Die Kunstszene driftet in einen Aktivismus, der nicht Räume öffnet, sondern Räume „desinfiziert“. Der nicht Begegnung riskiert, sondern Begegnung vermeidet.
Wer wirklich demokratisch denkt, würde gerade an diesen Orten auftreten. Selbstbewusst. Diskursoffen. Und ohne Angst vor der Kontaktschuld-Erzählung.
Das wäre ein Zeichen für Freiheit. Nicht die Flucht.