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Wenn Journalismus zur Einschüchterung wird

17. Mai 2025 // geschrieben von Manfred
Eine kritische Betrachtung des „Clownswelt“-Doxxings durch die ZEIT - Der Fall „Clownie“

Im Mai 2025 veröffentlichte Christian Fuchs bei ZEIT Online einen Artikel, der sich mit dem rechten Influencer „Clownie“ auseinandersetzt – einer Figur, die unter anderem auf YouTube und Telegram mit satirisch-polemischem Ton gesellschaftskritische Inhalte produziert. Was als journalistische „Recherche“ deklariert wird, stellt sich bei näherem Hinsehen als gezielte Doxxing-Kampagne dar – mit gravierenden Folgen für den Betroffenen.

Was ist Doxxing – und wie definiert die ZEIT es selbst?

Die ZEIT selbst beschrieb Doxxing 2019 als eine „Waffe“, mit der durch Veröffentlichung persönlicher Daten gezielt eingeschüchtert werde. Umso erstaunlicher ist es, dass dieselbe Redaktion nun vollständige Namensinitialen, Herkunftsregion, Studienverläufe, Details über Familienverhältnisse, private Hobbys und sogar ein vollständiges psychosoziales Profil eines Mannes öffentlich zugänglich macht – gegen seinen erklärten Willen und unter gezielter Kontaktaufnahme zu Familie, Professoren, Bandkollegen und Eltern.

Die Methoden der Recherche – zwischen investigativem Anspruch und gezielter Ausforschung

Im Rahmen der Berichterstattung durch die ZEIT wurde eine Reihe journalistischer Methoden eingesetzt, die in ihrer Gesamtheit nicht nur die Grenze zum Privaten überschreiten, sondern strukturell an die Praktiken staatlicher Überwachungsapparate erinnern. Dabei blieb es nicht bei öffentlich zugänglichen Informationen: Es wurde offenbar eine wissenschaftliche Stimmanalyse in Auftrag gegeben, um die Identität des Betroffenen über seine Stimme zu verifizieren.

Darüber hinaus wurden Personen aus seinem persönlichen Umfeld kontaktiert – darunter ehemalige Bandkollegen, Professoren und sogar Familienangehörige. Die Recherche führte bis zum Wohnort seiner Eltern, der offenbar gezielt identifiziert und persönlich aufgesucht wurde. Dabei wurde laut Darstellung des Betroffenen an der Haustür nach seinem Verbleib gefragt – ein Vorgehen, das bei vielen Menschen als Einschüchterung wahrgenommen werden dürfte.

Besonders brisant: Auch seine nicht öffentlich zugängliche private Handynummer wurde beschafft und für direkte Kontaktversuche verwendet. Die Krönung dieser Methoden ist die teilweise Offenlegung seiner Identität – mit vollem Vornamen, Initial des Nachnamens, Altersangabe sowie der ungefähren Herkunftsregion.

Diese Form der Recherche übersteigt den klassischen Rahmen des Journalismus, der sich der Wahrung der Persönlichkeitsrechte verpflichtet sehen sollte. Stattdessen entsteht das Bild einer gezielten Ausforschung, die weniger der Information der Öffentlichkeit dient, als vielmehr dem Versuch, eine Person gesellschaftlich zu markieren, zu enttarnen und damit zur Rechenschaft im sozialen Raum zu zwingen. Was früher geheimdienstlichen Akten vorbehalten war, wird hier nicht etwa vertraulich dokumentiert, sondern im Internet verbreitet – kommerziell verwertet hinter einer Paywall. Das unterscheidet diese Praxis nicht nur in ihrer Ethik, sondern auch in ihrer Zielrichtung fundamental von seriösem Journalismus.

Presserechtlich fragwürdig – öffentliche Person oder Persönlichkeitsrechtsbruch?

Nach deutschem Presserecht darf die Identität einer Person nur dann enthüllt werden, wenn ein übergeordnetes öffentliches Interesse besteht und dieses höher wiegt als das Persönlichkeitsrecht. Die Frage lautet also: Reicht eine polarisierende politische Meinung, eine AfD-Nähe und eine gewisse Reichweite im Netz aus, um das Recht auf Anonymität aufzuheben?

Nein. Sofern keine nachweislich strafbaren Inhalte vorliegen – was YouTube offenbar auch nicht festgestellt hat – ist die gezielte Offenlegung der Identität und Lebensumstände nicht gerechtfertigt. Im Gegenteil: Das Bundesverfassungsgericht betont regelmäßig den besonderen Schutz des Persönlichkeitsrechts auch und gerade im digitalen Raum.

Strafrechtlich relevant? Ja, durchaus.

Doxxing kann nach deutschem Recht je nach Ausmaß mehrere Straftatbestände erfüllen:

  1. Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 StGB) – etwa bei Aussagen von Familienmitgliedern ohne Zustimmung.

  2. Verletzung der Vertraulichkeit personenbezogener Daten (§ 42 BDSG in Verbindung mit DSGVO) – etwa bei Aussagen über den Studienverlauf durch Uni-Mitarbeiter.

  3. Nötigung (§ 240 StGB) – wenn durch die Veröffentlichung die Willensfreiheit beeinflusst werden soll (z. B. Einschüchterung, Rückzug aus der Öffentlichkeit).

  4. Üble Nachrede (§ 186 StGB) – bei unbelegten Vorwürfen wie „Hetze“, „menschenverachtend“, „radikalisiert“ usw.

Zwar schützt die Pressefreiheit (§ 5 GG), doch dieser Schutz endet dort, wo die Rechte anderer verletzt werden – was hier nach Lage der Dinge der Fall ist.

Fazit: Der eigentliche Skandal

Was Christian Fuchs und die ZEIT hier betreiben, ist nicht nur ein fragwürdiger Eingriff in die Privatsphäre eines politischen Gegners. Es ist ein gefährlicher Präzedenzfall für die Aufweichung rechtsstaatlicher Grundsätze unter dem Deckmantel des „Kampfes gegen rechts“.

Es bleibt festzuhalten: Wer Meinungen – so unpopulär sie auch sein mögen – nicht mit Argumenten, sondern mit Recherchen über Privatleben, Familie und Studienverläufe bekämpft, agiert nicht mehr im Geiste der Pressefreiheit, sondern verlässt diesen Raum in Richtung aktivistischer Denunziation.

Wer so arbeitet, darf sich nicht wundern, mit dem Begriff „Stasi-Journalismus“ konfrontiert zu werden – ein Begriff, der in diesem Zusammenhang nicht aus der Luft gegriffen scheint.

Nachtrag

Die ZEIT hat angekündigt, sich „klar von Doxxing zu distanzieren“. Die beste Art, das zu tun, wäre: solche Artikel nicht mehr zu veröffentlichen.